Worte sind nur der Anfang!
Stellungnahme der KjG-Bundesleitung zu Konsequenzen aus dem Kölner Missbrauchsgutachten
Kardinal Woelki hat eigene Versäumnisse eingeräumt und gemeinsam mit dem Generalvikar nächste Bearbeitungsschritte angekündigt. Getan hat er das in einer Pressekonferenz am 23.03., fünf Tage nach Veröffentlichungen des Missbrauchsgutachten der Strafrechtler*innen Kerstin Stirner und Björn Gercke. Weitere Bistümer wie Aachen und Berlin haben bereits Gutachten veröffentlicht, andere Bistümer wie München, Münster und Essen haben Gutachten in Auftrag gegeben, andere Bistümer wiederum stehen noch an der Stelle, Präventionsleitlinien flächendeckend zu erarbeiten.
Als KjG-Bundesleitung lässt uns die Bekanntmachung vom 23.03.2021 in Köln unzufrieden zurück. Natürlich ist die Vorstellung des Gutachtens und auch die Ankündigung weiterer Schritte ein Anfang in Bezug auf die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt. Allerdings bleiben die großen Kritikpunkte bestehen, dass Betroffene nicht angemessen behandelt und einbezogen werden und dass Aufarbeitung nicht durch die rein juristisch eingeschätzten Verfehlungen passieren kann.
Wir kritisieren als KjG diese Grundhaltung der Kirche: Einseitig fachspezifische Einordnungen, wie in diesem Falle die juristische, bringen immer nur Teilaspekte von systemischen Missbrauchsbedingungen zu Tage. Wie die Geschehnisse in Köln zeigen, blendet ein solches einseitiges Vorgehen für uns jeglichen Fokus auf systemische Ursachen für sexualisierte Gewalt sowie deren Vertuschung aus. Dabei darf Aufarbeitung und die Verantwortung von Amts- und Würdenträgern nicht stehen bleiben.
Wir erwarten insgesamt von Menschen in verantwortlichen (kirchlichen) Positionen, sich selbst einer moralischen und ethischen Gewissensprüfung zu unterziehen. Das Zugeben von Verfehlungen erst im Anschluss an veröffentlichte Gutachten, ist für uns unerträglich und zeugt nicht von einem ernsthaften lückenlosen Aufarbeitungswillen. Gerade als Verantwortliche in Kirche, in der Moralvorstellungen einen hohen Wert haben, muss auch das eigene Handeln daran gemessen werden.
Die vom Erzbistum Köln und in weiteren Bistümern angekündigten Maßnahmen sind zwar wünschenswert, aber auch spätestens seit 2010 längst überfällig. Wir erkennen den insgesamten Willen zur Aufarbeitung an. Wir erwarten, dass diesen Worten nun endlich zügig Taten folgen. Insbesondere der angekündigte Bruch mit bestehendem Kirchenrecht gerade in Bezug auf Aktenvernichtung stellt eine Selbstverständlichkeit dar, die die Kirche in Deutschland und weltweit angehen muss.
Wir stellen fest:Nur eine gemeinsame Bearbeitung systemischer Missstände kann überzeugende Lösungen liefern. Wenn sich einzelne Bistümer auf den Weg machen, sind das wirklich begrüßenswerte Anfänge.
Wir betonen: Erst wenn eine breite innerkirchliche Anerkennung der systemischen Bedingtheit sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche konsequent vorkommt, können systemische Missstände konsequent aufgearbeitet und vermieden werden. Diese Anerkennung fehlt uns in Hinblick auf das Handeln von Geweihten in der Kirche. Zudem müssen alle in der MHG-Studie identifizierten Missstände intensiv bearbeitet und behoben werden. Die Themen, die im synodalen Weg verortet wurden, dürfen nicht nur wohlwollend diskutiert werden. Wir brauchen spürbare Veränderungen. Diese werden das Kirchenrecht, die katholische Lehre, die Sexualmoral der Kirche, das Verständnis von Leitung und Personalführung und das insgesamte Miteinander von Gläubigen und Verantwortungsträger*innen betreffen müssen.
Wir verlangen, dass die Erkenntnisse des synodalen Wegs durch die deutschen Bischöfe in die Weltkirche getragen und vehement diskutiert werden. Missbrauch und missbräuchliche Strukturen stellen kein „deutsches Phänomen“ der katholischen Kirche dar. Um sichere Räume für Kinder und Jugendliche zu schaffen, braucht es weltweit Veränderungen.