Rebekka Biesenbach Interview quer

Komm rein, sei so wie du bist, mach mit und es wird was Gutes draus!

Die scheidende Geistliche Bundesleiterin Rebekka Biesenbach und die KjG

In ihr steckt pure KjG-Begeisterung: Rebekka Biesenbach, Theologin, von 2016 – 2022 Geistliche Bundesleiterin der KjG. Beim ersten Mal gewählt mit 98%, beim zweiten Mal mit 100 %. Jetzt hat sie selbst entschieden, nicht mehr zu kandidieren. Als Aktive der KjG riss sie schon mal Wände ein, gewann 1000 Mark für Wirbel, erlebte tolle Vorbilder und Bischöfe mit Hoffnungsschimmer-Potential, veränderte die KjG und ließ sich verändern.

Entdeckt hast du die KjG in Wipperfürth, im Oberbergischen, das liegt im DV Köln. Also, Rebekka so mit 10 Jahren auf dem Weg zur ersten KjG-Gruppenstunde. Mit wem warst du da unterwegs und wie war das Wetter?
Rebekka: Das Wetter war ganz gut, glaube ich. Und ich war mit der Gudrun unterwegs. Die war mit mir in der Klasse. Und die sagte, sie geht zur KjG und ich sollte doch mal mitgehen. Dann sind wir dahin gegangen. Die Gudrun war nicht lange überzeugt davon, die war nur ein paar Mal bei der Gruppenstunde. Die Rebekka ist geblieben.

Was hat dich denn überzeugt?
Rebekka: Ich bin da auf viele nette Menschen getroffen, die ich vorher alle nicht kannte. Die Einzige, die ich wirklich kannte, war die Gudrun, aber die ging ja nicht mehr hin. Trotzdem war das direkt eine coole Truppe. Ich konnte mich ausprobieren, ich konnte so sein, wie ich bin. Ich durfte meine Dinge einbringen. Ja und dann hatte mich das irgendwie gecasht und ich bin weiter zur KjG gegangen.

Dinge einbringen … Da fällt mir ein Schwerpunkt ein, den du jetzt bei der KjG auch betreut hast: Geschlechtergerechtigkeit. War das schon so ein Thema, von wegen: Hej ich kann so sein, wie ich will?
Rebekka: Ich glaube schon. Es war das Thema, dass ich als Mädchen in der katholischen Kirche aktiv sein konnte und durfte. In der Pfarrgemeinde und in der Pfarrkirche durften Frauen nicht ministrieren – wir hatten einen sehr konservativen Dechanten. Es gab nachher eine Nische, der Seelsorger des Krankenhauses, der hat Mädchen zugelassen. Aber wir durften halt auch nur in der Krankenhaus- und in der Altenheimkapelle dienen. Von daher war das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Kirche in der Tat schon sehr früh in meinem Leben verankert. Da gab es in der KjG einen Raum, der auch katholische Kirche war – wo das Geschlecht keine Rolle spielte.

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit hat sich im Laufe deiner KjG-Zeit entwickelt. Was ist das, was dich am aller meisten gefreut hat? Etwas, bei dem du gedacht hast: „Ja, das habe ich mir schon als kleines Mädchen gewünscht.“?
Rebekka: Als kleines Mädchen gewünscht, das weiß ich gar nicht. Weil das Thema Geschlechtergerechtigkeit und -vielfalt da nicht so präsent war. Ich wusste nur „Ich darf keine Ministrantin sein oder ich darf das nur sein, weil Pater Luca einen Schutzraum gebaut hat.“ Ich habe auch lange diese nicht geschlechtergerechte Sprache für mich gar nicht als diskriminierend wahrgenommen. Aber als der Knackpunkt einmal da war, war es vorbei. Bis heute, wenn ich Nachrichten gucke, macht mein Kopf ein Sternchen *innen dran, wenn die nicht gendern. Zu Hause spielte es ansonsten keine Rolle, dass ich lieber auf Bäume kletterte oder halt nicht im Kleidchen in die Kirche gehen wollte, sondern lieber in der Hose. Oder, dass meine Familie, wenn die Rebekka mit der Bohrmaschine um die Ecke kam, irgendwie sagte: „Nee, das kannst du nicht machen, lass das den Papa machen.“ Aber, wenn man dann mal erlebt, dass andere Leute darunter leiden, weil das ungerecht ist …. Das war der Punkt, wo es in mir angesprungen ist, dass ich das Thema so wichtig finde. Mit Ungerechtigkeit konnte ich ja nie gut. Das höchste Ziel mit diesem Frauenpriestertum und so ist während meiner Zeit in der KjG nicht in die Tat umgesetzt worden. Aber, ich glaube, jedes Mal, wenn man das irgendwo anbringt und für solche Themen in den Ring steigt, tut man etwas für die Sensibilisierung in der Kirche für Vielgeschlechtlichkeit oder sexuelle Vielfalt. Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren deutlich weitergekommen sind, nicht zuletzt wegen der Satzungsanpassung.

Ich hole dich noch einmal zurück: Du bist vom Gruppenkind zur Gruppenleiterin, dann Regionalleitung, Geistliche Bundesleiterin geworden. Gab es irgendwie so einen Moment, in dem du gesagt hast: „Ich will jetzt Verantwortung übernehmen“? Oder waren das ganz viele Gudruns, die dich an die Hand genommen haben?
Rebekka: Die Gudrun hatte mich ja nur ganz kurz an der Hand. Und dann waren es unsere „Gruppenmamas“, die uns ja irgendwie Freiräume geschaffen haben. Ich weiß, dass wir so ein Projekt hatten, wo wir unser Traumjugendheim gebaut haben, über Wochen hinweg mit allen Materialien und mit allem Zeug. Ich glaube, dass das ein Wettbewerb vom Diözesanverband war. Auf jeden Fall haben wir da 1.000 DM gewonnen und konnten quasi ein bisschen das, was wir da erträumt hatten, auch in unserem Gruppenraum im Pfarrheim in die Tat umsetzen und Geld investieren. Die Wände streichen und Zeug kaufen, was die Gruppenarbeit gestaltet hat.

Du hast Theologie studiert. Da denkt man: „Ja, okay das ist ein Mensch, der sich mit dieser Idee Gott oder mit dem Gottesbegriff beschäftigt.“ Hast du eigentlich als Kind auch schon das Gefühl gehabt, dass du nach Gott oder diesem Gottesgefühl suchst oder ist das in der Familie einfach so all-inclusive gewesen.
Rebekka: Ich glaube das war erstmal nicht in Frage gestellt, weil es all-inclusive war. Meine Großtante, die war richtig fromm und die wohnte bei meinen Großeltern im Haus, sie war immer die dritte Oma und auch meine Großeltern beiderseits waren sehr kirchennah. Meine Eltern waren beide Religionslehrer*innen. Von daher war das schon immer irgendwie Thema. Ich weiß aber, dass ich mit 13 oder 14 mal richtig rebelliert habe, weil ich da die Schnauze voll hatte von dem ‚ich darf keine Ministrantin sein‘ und habe mich gefragt, ob ich diese Kirche wirklich brauche. Ich bin dann sonntags nicht mehr mit in die Kirche gegangen. Es gab aber KjG-Gottesdienste und irgendwann hab ich die Donnerstagabends-Messe für mich entdeckt. Die war sehr schnörkellos und es wurde im besten Fall mal 4 Minuten gepredigt, aber auch nicht länger. Das war dann ein Format, da konnte ich wieder andocken. Danach bin ich in die Kneipe und traf meine Freund*innen, das war also ein wenig das Konzept die Gemeinschaft zu erleben, außerhalb von Kirchenbänken.

Und ein schnörkelloser Gott – das habe ich mir jetzt gemerkt.
Rebekka: Ja schon, also in den Kirchen. Ich mag eher die cleanen Kirchen und cleaneren Gottesdienste. Ich brauche dieses ganze Gefühl von Selbstbeweihräucherung halt nicht. Ich glaube, dass unsere Gottesdienste in der KjG das häufig auch so sind, also eher puristisch: Die Menschen sitzen mit in der Bank, tragen mal Gewand, wenn sie Messe zelebrieren, aber es geht nie um den Zelebranten oder die Frau, die den Gottesdienst leitet. Es geht immer darum, dass alle da sind und, dass wir das Thema, das wir bearbeiten, mit Gott zusammen in den Mittelpunkt stellen und keinen Prunk.

Auf Verbandstagen hast du dann entdeckt, dass es da noch mehr gibt als die Pfarreigruppe. Du bist Teamerin auf Ferienfreizeiten geworden. Später warst du im Diözesanausschuss und während deines Theologiestudiums in der Regionalleitung. Dann kam 2016 deine Kandidatur zur Bundesleitung …
Rebekka: Ja, es haben mich ein paar Leute angesprochen und gesagt: „Rebekka, wäre das nichts für dich?“. Darüber habe ich das Nachdenken angefangen, ob ich das kann oder nicht kann, oder ob ich das will oder nicht. Es war von Anfang an schon ein Geschenk noch einmal dem Verband, der mir so viel gegeben hat, etwas zurückgeben zu können. Dieses Gefühl hatte ich von Anfang an und ich hoffe, es ist mir gelungen.

Wenn ich mir die Geschichte der KjG anschaue, könnte es sein, dass dieses „Geistliche“ vor der Bundesleiterin ein Grund ist für besonders viel Stress in der Bundesleitung? Ich denke jetzt so an die Diskussion um das vielfältige Gottesbild, den Synodalen Weg …
Rebekka: Ja und nein. Weil man natürlich von außen eher die Verantwortliche ist. In der Praxis, muss man ja sagen, leben wir Leitungen ja als Team. Es gibt ein paar Dinge, die an mir als geistliche Bundesleitung fest angeknüpft sind, wie die Jugendseelsorgekonferenz oder so. Das kann man auch nicht übertragen, aber ansonsten entscheiden wir ja auch als Team und zuletzt war ja auch die Yu für den Ausschuss Glaube und Spiritualität zuständig. So haben wir das ein bisschen im Team bespielt
Und trotzdem bleibt es natürlich so, immer war ich die, die bei den Bischöfen erstmal ran zitiert wurde. Und ich glaube, dass ich die Gnade hatte, mich frei zu fühlen auch als Theologin. Weil ich nicht in einem Bistumskonstrukt hänge und irgendwie die Angst „jetzt werde ich abgekanzelt oder strafversetzt“ hatte. Das haben ja viele Theolog*innen in ihren Jobs. Ich war da vollkommen frei und hatte damit auch eine große Freiheit, anzuecken. Ich war frei, dafür zu stehen, was man auch aus der Bibel rauslesen kann und was man aus der Kirche lernen kann und was man sich mit Exegese und so erschließen kann, wie Kirche auch sein kann und wie man von Glaubenswahrheiten sprechen kann. Klarzumachen, dass die KjG halt nicht vom Glauben abgefallen ist oder die Bibel nicht verstanden hat, das war mir wichtig. Diese Freiheit hat mir mein Theologiestudium geschenkt und dieses Losgelöst sein von einem direkten Bistumseinfluss.

Es gab aber auch Shitstorms, die du aushalten musstest in den Social Media. Das war schon einiges. Sowohl der Synodale Weg, als auch die Diskussionen um das vielfältige Gottesbild und die Segnungen für nicht heterosexuelle Paare waren so Punkte, bei denen das dann alles hochkam. Mehr oder weniger schön …
Rebekka: Ja, aber auch da merke ich, dass ich eine große Freiheit in mir habe. Rein objektiv, was da steht, sind Verletzungen und sehr persönliche Angriffe, die dann so auftauchen. Ich habe aber immer gemerkt, es erreicht mich als Person nicht, weil ich mich da an den Stellen weder mit dem, was die da schreiben, identifiziere, noch sind das Menschen, die mich verletzen könnten. Die sind da anonym im Internet, randalieren und ich denke eher manchmal, wie schade / wie verzweifelt kann man sein / wie engstirnig sind Menschen. Das sind die ja nicht aus sich so, sondern die wurden zu solchen Menschen erzogen/gemacht durch Erlebnisse. Ich sehe dann, was ich ein Glück habe, dass ich da vollkommen frei von bin, weil ich sowohl in der Familie, in der KjG als auch in anderen Zusammenhängen halt diese Not nie hatte.

Mir fällt dazu das Zitat ein, „Manchmal verzweifelt, aber trotzdem knarz katholisch“.
Das ist in der Diskussionsrunde gefallen, die du moderiert hast zum Thema „Geschlechtergerechtigkeit und Identität“. Da gab es auch den Ausspruch, dass es bei diesem Thema immer um „untenherum“ geht. Die KjG hat den Anspruch, dass sich der Blick hebt. Daran arbeitet sie auch mit der KjGay, für die du zuständig warst. Was würdest du davon erzählen?
Rebekka: Das sind ganz großartige Menschen, die dieses Netzwerk bilden und die mit einem hohen Engagement trotz erlebter Verletzung und zum Teil auch harter Verletzung weder ihren Glauben noch den wohlwollenden Blick auf diese Kirche verloren haben. Bei vielen ist das nur der KjG-Teil der Kirche, aber bei vielen geht´s auch weit darüber hinaus. Das bewundere ich sehr, dass man, wenn man Verletzung erfährt in so einem Zusammenhang und man sich nicht abwendet, sondern seinen Platz in diesem ganzen Schema findet und den mit so viel Leben und Kraft ausfüllt, sodass andere Menschen davon berührt, inspiriert, angesprochen werden. Die KjGay ist aus meinen Arbeitszusammenhängen das Netzwerk und das Team, das am meisten Anfrage auch von außen erfährt. Tolle Vorbilder im Verband und darüber hinaus.

In der KjG gibt es viele solcher tollen Vorbilder. Bei den Kirchenoberen muss man da ein bisschen suchen. Welcher von diesen Kirchenoberen hat dir denn die Hoffnung gegeben, dass es Entwicklung gibt?
Rebekka: Das ist eine schwere Frage. Natürlich gibt es viele, die sehr einseitige Blickwinkel haben. Aber ich habe grade in den letzten Jahren bei einigen Bischöfen erleben dürfen, dass sie jetzt keine 180Grad Wende machen, aber dass es auf einmal Themen gab, über die man sprechen durfte, bei denen es vorher Sprachverbote oder Scheuklappen gab. Geschlechtervielfalt oder Frauen in Kirche sind solche Themen. In der direkten Erinnerung ist es zum Beispiel Bischoff Dieser aus Aachen, den ich erlebt habe in einem Vorbereitungstreffen auf den Synodalen Weg hin. Es ging um das Thema Geschlechtervielfalt und sexuelle Vielfalt. Der hatte eine Meinung, die konservativ war, aber er hat sich konfrontieren lassen mit der Realität. Die hatte der aber vorher in der Tat in seinem Leben nicht wirklich erlebt. Und den hat das aber bewegt und wenn ich sehe, wie der heute über diese Themen spricht, beeindruckt mich das. Auch wenn ich höre, wie mutig er mittlerweile über diese Themen spricht. Für manche Leute ist Mut in diesem Zusammenhang befremdlich, aber wenn man in diesem Bischofskonstrukt unterwegs ist und der erste ist, der das öffentlich äußert, dann hat das auch was mit Mut zu tun und dass er sich solchen Dingen stellt. Er war der Einzige, der dann auch bei Out in Church mit bereit war, ein Interview in dem Film zu geben. Das hätte ich ihm vor fünf Jahren nicht zugetraut.

Wenn du Schlagworte nennen solltest aus deiner Zeit in der Bundesleitung: Welche Themen würden dir sofort einfallen, mit denen ihr euch beschäftigt habt und die prägend waren für die Zeit?
Rebekka: Das Thema Nachhaltigkeit und Klimapolitik ist eins, was noch weiter tragen muss, auch wenn es gerade nicht in den Schwerpunkt- oder Kern- und Profilthemen drin ist. Das ist aber natürlich was, was schon aus dem Glauben geprägt die Schöpfungsverantwortung und die Verantwortung für junge Generationen beinhaltet. Das Thema Generationengerechtigkeit spielt da an der Stelle ja eine große Rolle. Das sind Themen, die für die KjG stehen und für die ich stehe. Und dann halt Projekte, DenkMal!, das Jubiläum, MachMal!, das leider den letzten Schritt verpasst hat, was aber natürlich trotzdem viel Raum eingenommen hat. LautStark. Die 72-Stunden-Aktion, wo ich die Steuerungsgruppe auf Bundesebene beim BDKJ begleiten durfte, die so begreifbar macht, dass wir Glauben eben auch mit Händen und Füßen leben und den Beitrag zeigt, was es halt ist. Ich hatte viele große Geschenke, mit denen ich mich inhaltlich beschäftigen durfte oder die ich in Aktionen umsetzten konnte

Ein Herzensthema hat mit einem Esel zu tun – der Internationale Ausschuss. Da gibt es den IA. Wer ist das denn?
Rebekka: Ja, der IA. Ein Stoffesel – IA das Maskottchen. Der gehört zum Internationale Ausschuss, gekürzt in IA und der ist in der Tat während meiner Zeit eingezogen. Wir haben irgendwie relativ zum Anfang Bock auf eine Profilschärfung gehabt, um den IA noch mal anders in dem Verband zu repräsentieren und dann wurde unter anderem ein IA Esel gekauft. Seitdem gibt es einen Stoff-IA, der mit auf Konferenzen reist, Fotos von Aktionen und Reisen ziert, z.B. mit der Fimcap und zeigt, wo die KjG Verbindungen hin hat. Bei DenkMal! gab es den IA auch als Stoffkostüm und es gab immer tolle Menschen aus dem IA, die trotz 40 Grad Hitze sich in das Stoffkostüm geschmissen haben und damit noch mal bei vielen KjGleri*nnen erst zu Irritationen und dann zur Weiterbildung beigetragen haben. Die Information war: Dass es diesen internationalen Ausschuss gibt, dass es bei der KjG noch einen internationalen Dachverband gibt, der großartige Vertretungsarbeit leisten, der ohne den Ausschuss nicht vertretbar wäre, weil die BL das alleine nicht schaffen würde. Der IA knüpft Verbindungen in alle Welt und lädt alle KjGler*innen ein, mitzumachen.

Du hast in Bezug auf die KjG eben auch erfreulicherweise noch mal gesagt „hier kann ich einfach so sein, wie ich bin“. Aber was hat die KjG denn an dir verändert?
Rebekka: Also, ich glaube, dass die KjG ganz viel verändert hat, immer wieder. Ich glaube, dass die mir als Kind schon Veränderung geschenkt haben, weil sie mir eine Reflexionsfläche geboten haben, mir Experimentierräume eröffnet haben und weil ich auch mit Dingen furchtbar gegen eine Wand rennen konnte oder musste. Manchmal ist die Wand gebrochen, manchmal hat es mich kurz zurückgeschmissen. Aber am Ende waren das alles Erfahrungsräume, die einen wachsen lassen. Dass ich heute einfach ohne Probleme vor 100 oder 1000 Leuten sprechen kann oder dass ich keine Angst habe, auf etwas spontan zu reagieren…. Das sind alles Dinge, wo ich große Gelassenheit gelernt habe, weil man nie ganz alleine ist, man kann alles wuppen, einfach mal mit einem Spiel schnell irgendwie was überbrücken. Auch, dass ich für meine Themen aufstehe und fighte und dass ich mich nicht scheue, für Themen einzustehen, habe ich in der KjG gelernt. Ich glaube aber, das größte Geschenk und Lernfeld, das ich auch allen jungen Menschen wünsche, ist: Wie hart man auch inhaltlich streiten kann, das hat nichts damit zu tun, ob ich die Person gegenüber mag oder nicht mag. Die persönliche Wertschätzung leidet darunter nicht. Das ist ein ganz anderes losgelöstes Ding und ich muss mich nicht persönlich angegriffen fühlen in Diskussionen, wenn Menschen anderer Meinung sind. Es gibt natürlich immer Äußerungen, die das erstmal vermuten lassen, aber in der KjG ist man schon so miteinander unterwegs, dass das erstmal keine Rolle spielt. Selbst wenn es mal so einen Ticker gab, wo man sich angetitscht fühlte, geht man danach beim Kaffee oder so ins Gespräch und sagt „das hat mich irgendwie genervt“ und dann sortiert man es noch mal. Dann ist es meistens auch sehr schnell klar, dass es mit der persönlichen Ebene nichts zu tun hat. Wir fighten eben hart um ein Thema, kommen aber damit dann auch weiter in den Themen und finden Kompromisse und leben Veränderung sowohl auf der persönlichen Ebene als auch bei dem, was wir inhaltlich nachher nach außen vertreten können.

Was hast du an der KjG verändert?
Rebekka: Oh Gott, keine Ahnung. Aber grundsätzlich erstmal unvoreingenommen miteinander umzugehen und anzuhören und zu gucken und wahrzunehmen und wertzuschätzen, in beide Richtungen, das erwarte ich. Das waren aber Dinge, die ich in der Bundeskonferenz, auf der ich mich da zur Wahl gestellt habe, schon auch vermisst habe. Die aber für mich immer zur KjG gehörten und die ich in meiner Pfarrei und Region und DV erleben durfte. Ich habe das eingefordert bei meiner Kandidatur und habe es dann auch auf der Bundesebene erleben dürfen. Ich glaube nicht, dass ich das alleine war, weil das kann ich nicht, aber vielleicht war ich die, die das nochmal ins Gespräch gebracht hat und den Spiegel in den Raum gestellt hat und dann haben alle in den Spiegel geschaut, sich verändert und damit auch die KjG in der Zeit, in der wir da unterwegs waren, verändert.

Jetzt kommen wir zu einem großen Vorbild von dir. Du gehörst zu der Fangruppe der Menschen, die Pippi Langstrumpf ganz toll finden. Und ich habe jetzt mal so frei nach ihr Zitate rausgesucht und bitte dich, die dann zu verbinden, entweder mit der KjG oder mit dir oder mit beiden. Wie immer du möchtest.

„Zu viel Gelehrsamkeit kann selbst den Gesündesten kaputt machen“
Rebekka: … auf jeden Fall, man darf nicht reduziert z.B. auf das Bild: Kinder und Jugendliche sind Schüler*innen gucken. Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene sind eigenständige Individuen, die auch darüber hinaus Bedürfnisse haben und all diese Bedürfnisse sind gut und richtig und brauchen ihren Raum. Man kann auch auf andere Weise lernen, als nur ein Buch zu lesen oder Matheaufgaben rauf und runter zu rechnen. Das sind Räume, die die KjG ganz hervorragend schaffen kann. Es gibt ganz fantastische viele junge Menschen, die genau diese Räume eröffnen in der KjG, und damit genau das Gefühl, das Pippi Langstrumpf da beschreibt, schenken.

„Der Sturm wird stärker, ich auch“
Rebekka: Das ist schön. „Wirbelsturm im Kirchenturm“, das war eine Kampagne der KjG, die mich total angesprochen hat und die für mich bis heute ein tolles Sinnbild für die KjG ist. Ich habe halt versucht, Teil dieses Wirbelsturms für eine Zeit zu sein, die die KjG da im Kirchenturm macht und ich bin dadurch auf jeden Fall stärker geworden. Ich glaube auch, der Wirbelsturm hat an der ein oder anderen Stelle noch mal Fahrt aufgenommen und ich war Teil davon, wenn ich die Anliegen der KjG auch über die KjG hinaus in diesem Kirchenturm verkündet habe und Menschen damit konfrontiert habe, welcher Sturm auf sie zurollt.

„Das habe ich noch nie versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe“
Rebekka: Das ist eine tolle Grundeinstellung. Ich glaube, dass viele KjGler*innen das erlebt haben oder man ihnen diesen Satz noch mal sagen sollte, denn das ist ja das, wie dieser Verband funktioniert. Ich glaube, so ist das zu verstehen mit Thomas Morus und der Tradition und der Asche und dem Weitergeben der Flamme. Jede*r in der KjG sollte den Rücken genau so gestärkt bekommen, dass er*sie diesen Satz sagen kann und dann loslaufen und eine Aktion starten. Ich bin davon überzeugt, das wird dann schon gut!

„Sei frech und wild und wunderbar“
Rebekka: Das ist ja das, was mir noch als Tattoo auf diesem Unterarm fehlt, damit ich mir das die nächsten – hoffentlich vielen,vielen Jahre – immer angucken kann. Und ich brülle das allen Leuten entgegen. Ich glaube, dass da viel Wahres dran ist und, dass man gut durch die Welt gehen kann, wenn man diese drei Aspekte in sich trägt.

Ist das auch das, was du der KjG mit in die Zukunft geben willst?
Rebekka: Auf jeden Fall. Das war sie immer für mich und ich hoffe, dass sie das auch immer so bleibt. Sonst hätte sie keinen Wirbelsturm im Kirchenturm veranstaltet oder andere tolle Kampagnen oder viele Themen nach vorne gebracht. An vielen Themen ist auch weiterhin noch viel nach vorne zu bringen. Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollten Räume eröffnet werden, in denen sie genau das sein können und so sein können, wie sie sind und jeder*jedem zu sagen, du bist richtig und wichtig und „Komm rein, sei so wie du bist, mach mit und es wird was Gutes draus!“

(August 2022 / Das Interview führte Babette Braun Referentin für Öffentlichkeitsarbeit)

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